Stille Wasser sind tief - zu tief für manches Auto

Einer unserer Geschäftskunden bat uns bei einem schwierigen Schadensfall um Unterstützung: Ein hochgeschätzter Mitarbeiter erlitt privat einen Schaden am Fahrzeug und hatte Probleme mit seiner Versicherung.

Unterführung unter Wasser

In einer verregneten Sommernacht fuhr er mit seinem Pkw bei Starkregen durch eine Unterführung in Wien. Bei dieser war der Kanal verstopft und Wasser hatte sich angestaut. Während das Fahrzeug vor ihm problemlos die Wasserlacke durchqueren konnte, blieb sein Motor mitten in der Unterführung stehen. Durch die Verdrängung des Fahrzeuges war das Wasser noch oben in den Motor gekommen und statt der Luft angesaugt worden. Dieser sogenannte Wasserschlag führte umgehend zu einem Motorschaden. Kostenpunkt: knapp 9.000 EUR.

 

Versicherung lehnt ab

Zuerst wähnte sich der Kunde noch sicher, da er sein Fahrzeug mit einer Vollkasko versichert hatte. Doch kurz darauf kam die Ernüchterung, denn die Versicherung lehnte den Schaden ab:

Die Ablehnung erschien selbst uns als Fachleute sehr kryptisch. Auf deutsch steht dort sinngemäß: Der Oberste Gerichtshof hat festgestellt, dass der Wasserschlag in der Kaskoversicherung nicht gedeckt ist.

Fast richtig ist trotzdem falsch

Und tatsächlich: Wenn man das Urteil liest, steht dort ganz klar und für uns auch nachvollziehbar, dass ein Wasserschlag in der Teilkasko nicht gedeckt ist. Dort ist zwar Hochwasser versichert, aber das gilt nur, wenn das Wasser das parkende Fahrzeug schädigt. Fährt man selbst in das Hochwasser hinein, dann ist der Schaden nicht mehr unmittelbar durch das Hochwasser verursacht worden, sondern durch den bewegungstechnischen Vorgang. Das ist, wie gesagt, in der Teilkasko korrekterweise nicht versichert.

 

Bis auf eine "Kleinigkeit" passt das Urteil somit gut zu dem Fall: Der Kunde hatte keine Teilkasko, sondern eine Vollkasko. In dieser ist der selbstverursachte Unfall mitversichert, zu welcher auch ein Wasserschlag zählt. Dies wurde mehrfach in Deutschland durch Oberlandesgerichte bestätigt. Wir verwiesen die Versicherung auf die falsche Ablehnung und die unterstützenden deutschen Urteile.

Was ist grob fahrlässig?

Die Versicherung bestätigte uns daraufhin, dass das OGH-Urteil nicht auf die Vollkasko anwendbar ist und ein Wasserschlag in dieser prinzipiell versichert ist. Jedoch würden sie den Schaden weiterhin ablehnen, weil der Kunde hier den Schaden grob fahrlässig herbeigeführt hätte.

 

Diese Ablehnung war aus unserer Sicht schon gar nicht haltbar. Grobe Fahrlässigkeit ist durch den OGH klar definiert und umrissen:

 

Definition der groben Fahrlässigkeit laut OGH: Rechtssatz RS0030303

 

Grob fahrlässig handelt, wer im täglichen Leben die erforderliche Sorgfalt gröblich, in hohem Grad, aus Unbekümmertheit oder Leichtfertigkeit außer acht lässt, wer nicht beachtet, was unter den gegebenen Umständen jedem einleuchten musste; grobe Fahrlässigkeit ist gegeben bei schlechthin unentschuldbaren Pflichtverletzungen, die das gewöhnliche Maß an nie ganz vermeidbaren Fahrlässigkeitshandlungen des täglichen Lebens ganz erheblich übersteigen.

 

 

Grob fahrlässig bedeutet somit, dass man in einem außerordentlichen Maß sorglos handelt, wobei jedem klar sein müsste, dass dies zu einem Schaden führen kann. Im vorliegenden Fall sind jedoch vor und hinter dem Kunden ebenfalls Fahrzeuge durch die Unterführung gefahren - unter anderem ein Polzeifahrzeug. Dadurch ist klar, dass in dieser Situation eben nicht für jedermann einleuchtend war, dass es zu einem Schaden kommen kann. Der Kunde hat sich nicht anders verhalten, als dies von einem durchschnittlichen Fahrzeuglenker zu erwarten wäre, und somit auch nicht grob fahrlässig gehandelt.

 

Wir übermittelten der Versicherung unsere Argumentation und verwiesen sie auch auf einen weiteren Rechtssatz des OGH. Aus diesem geht hervor, dass die Versicherung beweisen muss, dass das Verhalten des Versicherungsnehmers grob fahrlässig war - nicht etwa der Versicherungsnehmer das Gegenteil. Sofern sie bei der Ablehnung bleiben, sollten sie uns doch bitte entsprechende Judikatur oder Urteile zur Verfügung stellen, aus denen die grobe Fahrlässigkeit in so einer Situation ableitbar ist. Schlussendlich hätte uns auch interessiert, was sie an Stelle des Kunden gemacht hätten. Stehen bleiben und den Fuß reinhalten?

 

Die Versicherung schloss sich schnell unserer Argumentation an und sicherte die Übernahme der Reparturkosten von fast 9.000 Euro zu.

 

Tipps für Autofahrer

Auch wenn dieser Fall aufgrund der Begleitumstände gut ausging, raten wir Ihnen dringend davon ab, durch unübersichtliche Wasserlacken zu fahren. Falls doch, dann maximal im Schritttempo. Bereits ab Tempo 20 kann die Wasserverdrängung zu einem Motorschaden führen - bei zu hohem Wasser auch bei geringerer Geschwindigkeit. Und nicht immer lässt sich eine grobe Fahrlässigkeit auch wegargumentieren.

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